Literarische Lieblingsplätze – #1

Wenn ich ganz ehrlich bin, dann wurde München 2012 eigentlich nur deshalb meine Wahlheimat, weil das Literaturhaus eine Praktikantin gesucht hat und ich nach meinem Studium auf der Suche nach einem Praktikum in einer literaturvermittelnden Institution war. Das Literaturhaus wurde mir sehr schnell ein echtes Zuhause, München dagegen erst ein paar Jahre später.

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Literaturhaus München © Alke Wendlandt

Mitten in der Altstadt in unmittelbarer Nähe zur Theatinerkirche und zur Fußgängerzone steht das Literaturhaus auf dem Salvatorplatz. Erbaut 1885 als Schulhaus auf ehemaligem Friedhof und Markt, wurde die Volksschule in den 1920er Jahren in Bayerns erste Mädchenrealschule umgewandelt. Etwa 70 Jahre wurde das Gebäude von der städtischen Musikschule und anderen Schulen sowie der russisch-orthodoxen Gemeinde als Ausweichquartier genutzt. Dann entschied der Münchner Stadtrat, das sanierungsbedürftige Gebäude als Literaturhaus zu nutzen. Gemeinsam mit ansässigen Verlegern gründete die Stadt München die Stiftung Buch-, Medien- und Literaturhaus München. Zwei Jahre dauerten Umbau und Sanierung, 1997 öffnete das Literaturhaus zum ersten Mal seine Türen. Dieses Jahr feiert das Literaturhaus München sein 20-jähriges Bestehen – daher an dieser Stelle: Herzlichen Glückwunsch!

Erotik in der Kaffeetasse und ein Bär von Thomas Mann

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Blick von oben auf die Brasserie OskarMaria © Marion Bösker

In einer Literaturmetropole wie München darf ein Literaturhaus natürlich nicht fehlen. Hier wird alles geboten: Im Erdgeschoss werden Kaffee, Kuchen und feine Speisen auf mit Zitaten von Oskar Maria Graf gestaltetem Geschirr serviert (»Mehr Erotik bitte«, Tasse, 11 Euro). Daneben finden in der Galerie wechselnde Ausstellungen zu diversen Persönlichkeiten und Themen statt, immer besonders gestaltet von unodue{ münchen. Bei der Ausstellung zu Gerhard Polts 70. Geburtstag wurde auf der gesamten Länge der Galerie ein Bootssteg nachgebaut und ein fast schon antiker Jesusautomat vom Bodensee nach München transportiert. Helmut Dietl, seiner Lebenswelt und den Münchner Geschichten konnte in einer multimedialen Ausstellung mit allen Sinnen nachgespürt werden. In den Feierabendführungen (die so beliebt sind, dass sie sofort ausverkauft sind) erhalten Besucher detaillierten Einblick in Thema und Gestaltung.

Ganz oben im vierten Stock werden die Gäste im Treppenhaus von einem ausgestopften Bären begrüßt. Es ist ein freundlicher, kleiner Zeitgenosse, der schon in den Diensten von Thomas Mann stand. Um in den vierten Stock zu gelangen, lohnt sich die knarzende Treppe – der Fahrstuhl ist eh viel zu langsam! –, vorbei an all den Porträts der Autoren und Autorinnen, die schon einmal (oder mehrmals) zu Gast waren. Im Foyer angekommen bietet sich ein grandioser Blick auf die Theaterinerkirche bis zur Oper und darüber hinaus. Ein Genuss bei klarem Wetter und bei untergehender Sonne!

Autoren zum Anfassen

Und was auf diesen Bühnen alles stattfindet! Da sprach zuletzt Denis Scheck mit der Übersetzerin Andrea Ott über die irgendwie tröstlichen Romane von Jane Austen – unglaublich amüsant und charmant –, Hanya Yanagihara gab einen Einblick in ihren gefeierten Roman Ein wenig Leben und sprach über Männerfreundschaften. Im Sommer laden hinter dem Haus Liegestühle zum Lesen ein, beim abendlichen Apéro lesen Schauspieler und Schauspielerinnen der Münchner Theater aus ausgewählten Titeln. Und bei den Mix-Terminen geht es meist feucht-fröhlich zu: drei Autoren bringen ihr neues Buch, ihr Lieblingsgetränk und ihre Lieblingsmusik mit. Nacheinander sprechen sie mit den Literaturhaus-Mitarbeiterinnen über ihre Neuerscheinungen, dazwischen wird gelesen, getrunken, gelacht, gefeiert – mit die liebsten Veranstaltungen und fern ab von der eingestaubten Wasserglaslesung.

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Fatma Aydemir im Gespräch mit Karolina Kühn beim Sommer-Mix 2017 © bateaudeslivres/Dominique Schikora

Es gäbe noch vieles zu sagen über das Literaturhaus in München: Wer sich außer der Brasserie OskarMaria und der Stiftung Buch-, Medien- und Literaturhaus München noch so in diesem Haus tummelt und sich mit Büchern beschäftigt, wie Katrin Lange das kreative Schreiben von jungen Autoren und Studierenden als auch von Kindern und Jugendlichen fördert und Alke Müller-Wendlandt jährlich zum Abschluss des Literaturfests den Markt der unabhängigen Verlage organisiert, welche Rolle das Literaturhaus beim Literaturfest München spielt und und und…

Was ich aber vor allem sagen will: Im Literaturhaus wird Literatur, wird Sprache, werden die Autorinnen und Autoren, die Übersetzerinnen und Übersetzer in ein lebendiges Licht gesetzt, in durchaus aufwühlenden Diskussionen von allen Seiten beleuchtet und am Ende immer gefeiert. Das gesamte Team brennt für Bücher, für gute Geschichten, für die Persönlichkeiten, die dahinter stehen, und das merkt man. Deshalb: Hingehen! Es ist für jeden was dabei, versprochen.

Literaturhaus München, Salvatorplatz 1, 80333 München, Kartentelefon: 089 /29 19 34 – 27. Im Netz: www.literaturhaus-muenchen.de. Das Literaturhaus München ist auch auf Facebook, Twitter, Pinterest und Instagram. Schaut vorbei!

7 Gedanken zu “Literarische Lieblingsplätze – #1

  1. Es gibt ja doch ein paar Gründe, um in München zu stranden und zu bleiben 🙂 Sehr schöner Artikel, da kriegen auch die Nicht-Lesewürmer Lust, öfter ins Literaturhaus zu gehen. Und die Atmosphäre dort ist wirklich einfach toll. Ich schau gleich mal in den Kalender…

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  2. Hmm. Am Literaturhaus bin ich eigentlich immer nur vorbeigelaufen, aber tatsächlich wusste ich bis jetzt nicht so genau, was so alles drinnen stattfindet außer Lesungen, von denen man mal mitbekommt. Vielen Dank für diesen tollen Einblick, beim nächsten Mal schau ich dann rein. 🙂

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  3. Also nach deiner Beschreibung muss ich unbedingt nochmal nach München fahren. Dann kann ich es mit anderen Augen betrachten, quasi durch die Buchwurmbrille 😀
    Bisher war ich bloß einmal in München unterwegs und damals eher touristisch.
    Liebe Grüße
    Lisa

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    1. Liebe Lisa,
      vielen Dank für deinen Kommentar!
      Ja, man kann in München total gut literatouristisch unterwegs sein. Im November beim Literaturfest, im März bei der Münchner Bücherschau junior oder auch beim Krimifestival München. Als ich frisch in München war, habe ich in Schwabing mal eine literarische Stadtführung zu Franziska von Reventlow gemacht – das war super!
      Hier gibt es wirklich viel zu entdecken 😉
      Lieben Gruß!

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